Fragen zum Vorgehen

Erfahrungen, Fragen, Antworten

Thema: Erstgespräch dauert nach telefonischer Vorbereitung zu lang
Ulrike Kusserow:
Ich habe erstmals ein wie empfohlen vorbereitetes Erstgespräch geführt, dazu hatte ich im übrigen vorher die mir für dieses erste Gespräch wichtigen Bereiche (Sammlung der zentralen Fakten, Ziele, welche bisherigen eigenen Versuche, Beseerungen zwischen Anruf und erstem Gespräch) nochmals am Flipchart notiert und dies eingangs kurz erläutert – Prinzip Visualisierung! – das war sehr gut, wie auch das ganze Gespräch. Die Pat. berichtete direkt über Besserungen zwischen Telefonat und erstem Termin. Einziger Unterschied: ich brauchte für dieses Gespräch mehr als die angekündigten 60 Minuten, sondern 80 Minuten. Schaffst du das in 60 Minuten oder planst für das Erstgespräch mehr Zeit ein? Bei mir liegen häufig zwischen erstem Telefonat und erstem Gespräch 2-3 oder 4 Monate Wartezeit. d.h. es gibt ein erstes Telefonat mit Aufnahme auf die Warteliste, dann ca. 2-3 Wochen vor dem ersten Treffen ein zweites Telefonat mit Terminvereinbarung. Wann würdest du nach deiner Erfahrung günstigerweise diese ausführlicheren vorbereitenden Informationen an den Klienten vermitteln?

Manfred Prior:
Ich biete Klienten, die eine lange Anfahrt haben, an, dass wir für das erste Gespräch 90 Minuten anberaumen. Dafür nehme ich dann auch das Honorar von 60 Minuten zzgl. dem Honorar von 30 Minuten. Wenn der Anrufer dem zustimmt, bin ich weniger unter Zeitdruck. Wenn ich mit 60 Minuten gut hinkomme, so liegt das meist daran, dass wir uns im Gespräch auf die für eine Besserung wirklich wesentlichen Rahmeninformationen konzentrieren konnten. Gleichzeitig ist es m. E. für den weiteren Verlauf der Beratung/Therapie ganz günstig, wenn man die 3 angekündigten Fragen nicht erschöpfend in der ersten Sitzung klären konnte sondern sich verabschiedet z. B. mit den Worten: „Für mich war unser Gespräch sehr erhellend und ich habe viel verstanden (1., 2. 3. – das wichtigste aufzählen…). Aber so richtig verstanden habe ich ehrlich gesagt noch nicht, wie Sie diese Besserungen hinbekommen haben (bzw. was im einzelnen genau Ihre Ziele sind). Das wird mich in unserem Gespräch am …. noch mal genauer interessieren…. Gleichzeitig bin ich gespannt, was sich in der nächsten Zeit noch in die von Ihnen gewünschte Richtung tun wird.“ Wenn 4 Monate Wartezeit zwischen dem ersten Telefonat und der 1. Sitzung sind, so hat das den Nachteil für den Klienten, dass er subjektiv in der Gefahr ist, nach 4 Monaten feststellen zu müssen, dass er vergeblich gewartet hat, weil sich herausstellt, dass er mit Dir nicht kann und er damit 4 Monate „verloren“ hat. „Gerade bei schweren, drängenden Problemen möchte ich aber den Anrufer nicht unnötig dieser Befürchtung aussetzen. Er soll möglichst bald in einem richtungsweisenden ersten Gespräch überprüfen können, ob ich der richtige Berater für ihn bin. Damit er das genauer erfahren kann, biete ich an, dass ich mit ihm einen Termin mache, der in 3 – 4 Wochen sein wird. In diesem Termin würden wir „das Ganze auf ein gutes Gleis bringen“ und schon mal die grobe Richtung festlegen, in die es gehen soll. Von diesem Termin „sollen Sie vor allem in der Richtung profitieren können, dass wir zusammen erarbeiten, wo es lang gehen soll und dabei auch möglichst schon erste Dinge entwickeln, die es Ihnen ermöglichen sollen, bis zu weiteren Terminen in 3 – 6 Monaten selber auf gute Art und Weise aktiv sein zu können….“ Diese Erstgespräche sind für mich ziemlich anstrengend, da ich angekündigt habe, an diesem Termin mit dem Anrufer schon etwas entwickeln zu wollen, was ihm möglichst viel für die Zeit bis zu weiteren Terminen nützt. Wenn der Anrufer sich zu einem solchen Gespräch entscheidet, mache ich diesen Termin aus und fahre dann für dieses Gespräch mit der oben beschriebenen telefonischen Information fort (4.4 Den Anrufer darüber informieren, „was mir im Gespräch am … wichtig sein wird S. 29 ff).“ Noch etwas ausführlichter beschreibe ich das im Buch im Kap. 5. 3 „Wenn mir kontinuierlichere Termine erst in drei bis sechs Monaten möglich sind“ auf den Seiten 105 – 106.

Thema: Wie damit umgehen, dass der Klient kommt und sagt: „das Problem hat sich gelöst“?
Karin Bosse:
Kurz nach Lektüre des Buches: Hatte mit einer jungen Klientin, die schon vor 5 Jahren bei mir im Aufstellungsseminar gewesen war und jetzt Hilfe in einer dringend anstehenden Entscheidungssituation suchte, 3 Termine vereinbart. 2 Tage vor dem 3. Termin ruft sie in Panik an, ob es vielleicht heute schon ginge. Es ist 11h. Ich: gut, um 17h. Und dann, in Erinnerung an das Buch: Sie möge bitte, so weit das neben der Arbeit möglich, mal drauf achten, was sich zwischen jetzt und 17h vielleicht schon verändere. – Um 17h kommt sie, strahlend: vor 2 Stunden hat sich alles gelöst! Nun aber da eine kleine Schwierigkeit bei aller Freude, lieber Manfred Prior: Nach kurzem Anhören sagte ich lächelnd, da brauchte sie diese Stunde ja eigentlich gar nicht mehr!? Und sie, etwas verschämt ebenfalls lächelnd: Da hätte sie auch schon drüber nachgedacht…aber dann hätte sie doch bemerkt, dass sie noch einiges zu fragen hätte. – Stunde war o.k. und brachte noch was, dennoch jetzt die Frage: Könnte/sollte man in solchem Fall ernst machen und jemand auf so einem Gipfel von Befreiungsgefühl wirklich nach Hause schicken? (Und Honorar dann? nichts, oder individuell nach beider Gefühl, z.B. sich in der Mitte treffen? – Ich würde das wohl so, etwas locker, machen, aber du hast da vielleicht schon eine klare Linie, die ich dann gerne wissen mag!

Manfred Prior:
In einer solchen Situation drücke ich meine Freude darüber aus, dass die Klientin eine Lösung gefunden hat. Dann interessiere ich mich sehr dafür, welches die Lösung ist und wie die Klientin auf diese Lösung gekommen ist. Beides lasse ich mir ausführlich und differenziert schildern. Wenn KlientInnen dem Berater/Therapeuten oder anderen wichtigen Bezugspersonen eine gefundene Lösung berichten, so kann das nach meiner Erfahrung ein wichtiger Teil einer stufenweisen Ratifizierung der gefundenen Lösung sein, an deren Ende das Praktizieren der Lösung steht. Nach diesem Berichten kann es sein, dass es neue Fragen gibt (wie in deinem Fall) oder der Klient mit dem Schwung des Problemlösungserfolges das nächste Problem anpacken will. Es kann aber auch sein, dass es nichts (Wichtiges) weiter zu besprechen gibt. In diesem Fall stelle ich das erfreut fest, bitte den Klienten diesen meinen Eindruck noch einmal zu überprüfen und stelle dann die Frage, wie wir das jetzt mit dem Honorar machen. Dabei achte ich auf eine für beide Seiten stimmige Lösung. Den meisten meiner Klienten ist es wichtig, mir in keiner Weise etwas schuldig zu bleiben, damit sie sich bei Bedarf wieder an mich wenden können. Mir ist es wichtig angemessen bezahlt zu werden. Ich fühle mich aber nicht wohl, wenn ich das volle Honorar bekomme, wenn ich ein Problem in nur einer halben Sitzung lösen helfen konnte und in der anderen halben Sitzung meine Büroarbeit machen kann. Leider kommt es aber noch viel zu selten vor, dass ich mit Klienten Probleme in nur einer halben Sitzung gelöst bekomme und es danach nichts weiter mehr zu regeln gäbe.

Thema: Wie einen eher passiven Patienten in einen aktiv suchenden verwandeln?
Dr. Angelika Krause:
Ich bin durch Zufall an das Buch geraten und von fasziniert aber auch nachdenklich : als Dermatologin , derzeit in Weiterbildung zur Psychotherapie erlebe ich immer wieder , wie nachteilig es sein kann, im Gesundheitssystem mitzuwirken und wie wenig häufig es geschieht, daß uns Menschen mit wirklich eigenem aktiven „Veränderungswunsch“ aufsuchen. .. wenn es um den Umgang mit Krankheiten geht. Ich habe aber bemerkt, daß dies anders ist , wenn es – wie in meinem Fach häufig – zunächst mal um das „Äußere“ geht. Seit einiger Zeit biete ich ausführlichere „Haarberatungen“ + „Pflegeberatungen“ an, bei dem ich meist auch vorbereitende Fragen vor dem eigentlichen Gespräch stelle und erstaunt bin, wie häufig diese Patienten begeistert sind. In den Gesprächen geht es meist darum, handhabbare (auch praktische) Lösungen zu finden, die vor allem das Selbstbewußstein und die eigene Kompetenz im Umgang mit sich selbst steigern. Ich werde die Anregungen aus dem Buch weiter in der Vorbereitung zu den Gesprächen/Beratungen einbauen. Brennend interssiert mich aber die Frage, wie ich einen passiven Patienten in einen aktiv suchenden verwandeln kann. .. und ob er dann überhaupt noch im Gesundheitssystem bleibt. Siehe S. 110 „psychosomatische Beschwerden“. Oder könnte man die drei wichtigen Fragen vor der eigentlichen Beratung auch eventuell für viele medizinische Probleme verwenden?

Manfred Prior:
Wenn Sie einen passiven Patienten vor dem ersten Gespräch informieren, was Ihnen wichtig sein wird, so hat er die Chance und die Einladung sich schon im Vorwege mit Ihren Fragen zu beschäftigen und aktiv zu sein. Meine drei Fragen implizieren bei genauer Betrachtung alle ein Aktiv-Werden des Patienten. Bei langen, chronifizierten Verläufen und langjährigen Erfahrungen von Behandelt-Werden (und wenig selbst handeln und wenig selbst entscheiden) reichen 3 Fragen vor der eigentlichen Behandlung natürlich leider nicht aus, um aus passiven Patienten aktiv suchende zu machen. Bei medizinischen Problemen empfiehlt es sich darüber hinaus natürlich noch transparent zu machen, was man für das jeweilige Problem voraussichtlich an Informationen braucht (der Patient also mitbringen kann) oder u. U. erheben wird, damit man gut beraten und gute Therapievorschläge machen kann.

Thema: Was sollen „übertriebene Untertreibungen“?
Thomas Equit:
Im Abschnitt 4.2.1 (Seite 48) stellen Sie „übertriebene Untertreibungen“ als Verständnis erzeugende Reaktionsmöglichkeit vor, wenn der Klient von gravierenden Problemen berichtet. Mir leuchtet anhand des Beispiels ein, dass diese (ironisch konnotierte) Vorgehensweise Sinn macht, aber mir fehlt der Zusammenhang (oder: ich verstehe ihn nicht), warum das wirksam ist(Ist das Humor?)
Könnten Sie mir dazu vielleicht etwas Erhellendes schreiben?

Manfred Prior:
„Übertriebene Untertreibungen“ haben m. E. den Vorteil, dass man das Ausmaß sehr weitgehend offen lässt und dadurch ein größtmögliches Maß an Verständnis signalisieren kann. z. B. könnte ich auf Ihre Mail reagieren mit: „Ihre Mail zeigt dass Sie an einer guten Vorbereitung brennend interessiert sind.“ Ihre Reaktion könnte sein: „Naja brennend ist ein bisschen viel“. Dann würden Sie sich nicht so richtig verstanden fühlen. Oder ich könnte schreiben: „Ihre Mail zeigt, dass Sie an einer guten Vorbereitung interessiert sind.“ Ihre Reaktion könnte sein: „Das ist mir zu wenig. Merkt der Herr Prior nicht, wie sehr mich das interessiert?“ Wieder würden Sie sich nicht so richtig erstanden fühlen.
Oder ich habe Glück mit der Formulierung: „Ihre Mail zeigt, das Sie an einer guten Vorbereitung sehr interessiert sind“ Und Ihre Reaktion ist die von mir angestrebte, weil Sie denken: „Stimmt genau.“
Wenn ich eine übertriebene Untertreibung verwende, würde ich z. B. schreiben: „Ihre Mail zeigt, dass Ihnen eine gute Vorbereitung nicht ganz gleichgültig ist.“ Wenn ich das so sage, dass klar ist, dass das „nicht ganz gleichgültig“ eine übertriebene Untertreibung ist, dann lässt Ihnen diese Formulierung alle Freiheiten, das Ausmaß ihres Interesse in diese Formulierung hineinzulesen oder hineinzuhören und Sie fühlen sich verstanden ohne auf ein falsches Ausmaß eingeengt zu werden.
Der einzige Sinn einer solchen übertrieben untertriebenen Formulierung ist der, dass der andere sich damit verstanden fühlt, weil das Ausmaß weitestgehend offen gelassen wird. Man schafft damit eine Situation, in der die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass der andere mir und meiner Formulierung widersprechen muss, weil sie für ihn nicht stimmt. Und vor allem am Anfang will man ja vermeiden, dass der andere einem widersprechen oder einen korrigieren muss. Man will so reagieren, dass die Wahrscheinlichkeit möglichst groß ist, dass der andere einem zustimmen kann.